Krafttraining von Kindesbeinen an

Sportwissenschaftliche Forum des SBR widmete sich einem komplexen Thema mit namhaften Referenten

Über 200 Zuhörer waren brennend am Thema "Kraft- und Kräftigungstrainigs" des 7. Sportwissenschaftlichen Forums interessiert.

Der Büchermarkt wird überflutet mit Werken über das Training der Muskeln des menschlichen Körpers. Fitnessstudios sprossen in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden. Ein Wachstumsmarkt ist entstanden, an dem möglichst viele partizipieren wollen. Core-Training, Power for Life, Workout for Body … Die Liste der Neuerscheinungen, die in irgendeiner Form das Thema Kraft zum Inhalt haben,  ließe sich beliebig fortführen. Was macht aber effektives Krafttraining aus? In seinem Sportwissenschaftlichen Forum unter dem Titel „Aktuelle Formen des Kraft- und Kräftigungstrainings vom Breiten- bis zum Leistungssport“ gab der Sportbund Rheinland dazu erschöpfend Auskunft. Es referierten zwei Experten, die zu den gefragtesten in Deutschland zählen, wenn es darum geht, die Leistung von Sportlern in ihrer jeweiligen Sportart zu optimieren: Der Sport- und Trainingswissenschaftler Professor Dr. Dr. Manfred Grosser sowie Martin Zawieja, ehemaliger Gewichtheber und derzeit  Athletiktrainer im Deutschen Handball Bund.

„Er gibt nichts Neues zum Krafttraining“, sagte Grosser zu Beginn seiner Ausführungen vor rund 230 Zuhörern an der Uni Koblenz. In der „Modeliteratur“ werde oftmals Altes aufgegriffen, neu kombiniert und mit verkaufsträchtigen Schlagworten garniert. Das „Jedermann-Fitness-Training“, so Grosser, habe aber nichts mit den klassischen Zielen eines trainingswissenschaftlich fundierten Krafttrainings zu tun, um anschließend in einen Exkurs darüber einzusteigen. Am Detail orientiert aber immer unterhaltsam referierte Grosser über die Voraussetzungen eines  Muskelaufbautrainings, über die Bedingungen einer effektiven Schulung der  Koordination, des Trainings der Reaktivkraft, der Schnellkraft und der Kraftausdauer. Grosser, Autor von zahlreichen trainingswissenschaftlichen Publikationen, appellierte an die Trainer und Übungsleiter, nicht mit übertriebenem Ehrgeiz das Krafttraining zu betreiben, sondern dies als einen langfristigen Prozess über acht bis zwölf Jahre zu begreifen, denn, so Grosser „Krafttraining beginnt von Kindesbeinen an“.
Eine Aussage, der der nachfolgende Referent nicht widersprechen wollte. Der Olympia-Bronzemedaillen-Gewinner im Gewichteben, Martin Zawieja, machte zu Beginn deutlich, dass ein im Leistungssport angesiedeltes Krafttraining nichts mit einem Bodybuilding-Training gemeinsam habe. „Im Leistungssport müssen wir deutlich höhere Ansprüche bedienen“, sagte Zawieja. Das Krafttraining habe nicht primär einen Muskelzuwachs zum Ziel,  sondern  die Verbesserung der Grundbewegungsmuster der jeweiligen Sportart. Der Referent konfrontierte Übungsleiter, Trainer und der Sportlehrer mit seiner „Ausbildungsphilosophie“. „Die langfristige Ausbildung der Sportler hat Vorrang vor kurzfristigem Erfolg. Besonders am Anfang muss eine vielseitige und sportartübergreifende Ausbildung gewährleistet sein.“

Gewichtheber Zawieja brach im Folgenden eine Lanze für den Gebrauch der Langhantel im Krafttraining. Wie mit keinem anderen Gerät werde damit Basiskraft entwickelt, Kraftzuwächse realisiert, die  Muskelmasse gesteigert und Verletzungsprävention betrieben. „Der Übertrag auf die sportartspezifischen Anforderungen ist äußerst hoch“, sage Zawieja, der mittlerweile auch beim Deutschen Fußballbund mit seinen Thesen und seiner Trainingsphilosophie Gehör gefunden hat.

So gehören -  nach Zawieja - die Lang- und Kurzhantelübungen neben Sprüngen, Sprints und Würfen bei der Ausbildung eines Sportlers zu den „Trainingsübungen der 1. Kategorie“, die dann noch durch weitere Übungen - je nach Anforderungen einer Sportart - ergänzt werden sollten. Der Referent legte dabei besonderen Wert auf folgende Feststellung: „Krafttraining für Kinder und Jugendliche ist kein Krafttraining für kleine Erwachsene.“ Im Kinderbereich werde die Langhantel oftmals durch Besenstile ersetzt, im Jugendbereich wenn überhaupt nur mit kleinen Gewichten gearbeitet.“ Ziel sei es, in der Anfangsphase über die Langhantel komplexe Bewegungsmuster zu vermitteln, ohne Bänder, Knochen und Gelenke der jungen Sportlerinnen und Sportler über Gebühr zu belasten. Er untermauerte dies eindrucksvoll mit Videoaufnahmen von Trainingseinheiten mit jungen Handballern und Fußballern.

SBR-Vizepräsident Günter Berg (Aus- und Fortbildung) zeigte sich am Ende hoch erfreut über die große Teilnehmerzahl und den Verlauf des Sportwissenschaftlichen Forums: „Ich denke, wir haben Ihre Sinne geschärft für die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Krafttrainings im Kinder-  und Jugendbereich. Sie werden vieles in die Praxis umsetzen können“, sagte Berg. In den Ausbildungs-Unterlagen des Sportbundes Rheinland für Übungsleiterinnen und Übungsleiter seien die vermittelten Grundsätze berücksichtigt und würden entsprechend gelehrt. Abschließend appellierte Berg an das Auditorium, sich mit Themenwünschen für das nächste Sportwissenschaftliche Forum an die Geschäftsstelle des Sportbundes Rheinland zu wenden.

Auch SBR-Geschäftsführer Martin Weinitschke zog eine positive Bilanz: „Es bestätigt sich unsere Einschätzung, dass bei aller Offenheit für Trends beim Training der Kraft sich unsere Sportvereine am Ende doch mehr über die fachliche Qualität als über die Vermarktung mit eleganten Modebegriffen definieren werden. Der Zuspruch zur Veranstaltung und die fachlichen Diskussionsbeiträge unter den Teilnehmern sprechen jedenfalls für diese Einschätzung.“

Die Präsentationen zu den Vorträgen finden Sie Opens internal link in current windowhier.